Musik mit Märchen

Geigerin Judith Stapf beim Mitgliederkonzert

Sie ist vor kurzem achtzehn geworden – Geige aber spielt sie seit sie drei ist. Mittlerweile hat Judith Stapf eine viel versprechende Karriere gestartet. Beim Konzert für die Mitglieder der Wasmuth-Gesellschaft zeigte sie Proben ihres großen Talents.

Nein, Expertin für Märchen und Zauberisches sei sie eigentlich nicht, berichtet die junge Geigerin: „Harry Potter, ja den find‘ ich gut – aber in den Filmen gibt es keine Musik für Violine.“ Doch wer gründlich sucht, stößt im Bereich der klassischen Musik auf genügend Stoff. Unter dem Motto „Märchen, Mythen und Legenden“ hat Judith Stapf gemeinsam mit ihren Eltern ein Programm entworfen. „Wir machen das einmal im Jahr, ein Themenkonzert“, erzählt sie bei ihrem Auftritt im Muffendorfer Kelterhaus, das auch dieses Mal wieder von Mäzenin Irene Diederichs zur Verfügung gestellt worden ist. Überhaupt: „Musik ist das Gemeinsame, das Verbindende bei uns zu Hause“. Mutter Silke Stapf ist Sängerin, Vater Wolfgang Klein-Richter Pianist, und er begleitet die Tochter an diesem Tag auch am Flügel. „Judith ist der Mensch, mit dem ich am längsten musiziere, das ist doch etwas ganz Besonderes. Dieses Mal freilich nur als Ersatz. Ihr eigentlicher Begleiter ist erkrankt, da bin ich eingesprungen“, erläutert er.

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Judith, ihr Vater und Cornelia Rabitz bei der Vorbereitung

Bilder im Kopf

Vater und Tochter entpuppen sich bei ihrem Auftritt als kongeniales Duo. Seien es die romantischen „Märchenbilder“ von Robert Schumann, die gefühlvolle „Legende“ von Henryk Wieniawski, Karol Szymanowskis ausdrucksstarker „Mythos des Narcissos“ oder die temperamentvolle Vertonung des Märchens vom „Goldenen Hahn“ durch Nikolai Rimsky-Korsakoff – bis hin zu Erich Wolfgang Korngolds bildstarken Stücken zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts“: Das Programm ist geprägt von einem Reichtum an Klängen und Farben, die junge Geigerin entlockt ihrem Instrument zarte wie lebhafte Töne und brilliert zugleich mit virtuoser Technik. „Ich möchte mit diesem Programm Bilder im Kopf entstehen lassen“, hat sie zu Beginn gesagt. Das ist ihr zweifellos gelungen. Denn Judith Stapf tritt nicht nur als großartige Violinistin auf – sie hat auch die Rolle der Moderatorin übernommen und erläutert so unterhaltsam wie informativ die den Kompositionen zugrunde liegenden Geschichten.

Üben, üben, üben

Dass hinter einem solchen Konzert nicht nur Freude am musikalischen Märchen steckt, sondern auch sehr viel Arbeit kann sich wohl jeder im Raum vorstellen. „Ich übe normalerweise ungefähr drei Stunden am Tag, das ist vielleicht nicht übermäßig viel, aber ich habe für das Studium an der Kölner Musikhochschule auch zu tun und außerdem bleibt so zumindest gelegentlich etwas Freizeit, zum Beispiel, um Freunde zu treffen. Vor großen Konzerten mit Orchester übe ich mehr“. Lampenfieber kennt die junge Musikerin kaum. Ein bisschen vor großen Auftritten, meint sie, aber wenn sie die Bühne betrete sei es meist schon vorbei. Außer bei Wettbewerben – da sei die Anspannung doch größer, denn die Konkurrenz befinde sich ja in unmittelbarer Nähe: „Natürlich guckt man dann rechts und links, aber letzten Endes stellt man fest: Aufgeregt sind alle. Und alle bangen gleichermaßen um die Ergebnisse.“ Wettbewerbe sind ohnehin nicht alles, ergänzt auch Wolfgang Klein-Richter: „Schon mancher, der einen ersten Platz gewonnen hat, ist schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Andere dagegen, die auf den hinteren Rängen gelandet sind, schaffen den Durchbruch.“

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Judith Stapf und Cornelia Rabitz beim Konzertgespräch

Tournee nach Polen

Judith Stapf hat Preise gewonnen und sie ist bereits viel unterwegs, zu Meisterkursen, Workshops, Auftritten mit Kammermusik-Ensembles und Orchestern. Im Oktober geht sie auf ihre erste Konzerttournee: „Mit einem großen Orchester, nach Breslau, Danzig, Krakau und Warschau, das ist schon etwas Besonderes!“, freut sich die junge Musikerin. Begleitet wird sie vom Orchester der nordrhein-westfälischen Landesregierung Düsseldorf. Polen ist für sie seit ihrer Kindheit ein ganz besonderes Land: „Vor sieben Jahren habe ich einen Zeitzeugen kennen gelernt, der hat in der Nazizeit schon als 13jähriger dort im Ghetto und im KZ gelitten. Er hat auch als Kind angefangen, Geige zu spielen. Wir sind dann zusammen noch einmal an die Orte seines Leidens gereist, das hat mich sehr aufgewühlt und berührt“. Entstanden sind aus dieser Reise ein Film unter dem Titel „Judith und der Mann von Schindlers Liste“ sowie ein Buch: „Spiel mir das Lied vom Leben – Judith und der Junge von Schindlers Liste“.

Autorin: Cornelia Rabitz

 

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Die Künstler mit der Autorin und Vorstandsmitgliedern der Johannes-Wasmuth-Gesellschaft nach dem wunderbaren Konzert im Kelterhaus von Irene Diederichs