Auftaktkonzert der Summer School:

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„Aus dem Schlaf erweckt“

Äußerlich sieht das Gebäude noch grau und recht mitgenommen aus – man ahnt nichts von der einstigen Pracht des früheren Hotels, das einmal bevorzugtes Ziel vieler Sommerfrischler gewesen ist. Im Inneren aber sind Fortschritte unübersehbar. Davon konnten sich rund 70 Interessierte bei einem Konzert selbst überzeugen: Eine Wiedererweckung anlässlich des Auftakts der ersten „West Eastern Beethoven Summer School“. Ein bisschen macht das „Hotel Rheingold Bellevue“ seinem schönen Namen wieder Ehre: Der große Empfangsraum im Erdgeschoss mit dem herrlichen Panoramablick zum Rhein ist inzwischen nicht nur aufgeräumt, er steht auch als Raum für Konzerte zur Verfügung: „Niemand muss mehr befürchten, dass ihm hier die Decke auf den Kopf fällt“, sagt Raimund Maschita. Der Architekt – Mitglied in der Johannes Wasmuth Gesellschaft – hat zusammen mit Statikern dafür gesorgt, dass ein Gerüst eingezogen wurde. „Ich bin selbst ganz froh darüber und komme jetzt lieber hierher“, sagt der Frankfurter mit Wohnsitz in Oberwinter.

P1030493 Ein Gerüst im Konzertsaal? Nun ja. Wo vor ein paar Tagen noch hässliche Stahlträger, Metallteile und altes Holz zu sehen waren, spannen sich jetzt golden leuchtende Stoffbahnen an Decken und tragenden Elementen. Das gibt dem Raum ein ganz eigenartiges, an ein Theater erinnerndes Flair. Ein glücklicher Zufall hat es gefügt. Torsten Schreiber begegnete dem ehemaligen Bühnentechniker Simon kurz vor dem Start der Summer School. Der künstlerische Leiter der Wasmuth-Gesellschaft berichtet:“ Herr Simon hat mich vor ein paar Tagen kontaktiert, er wollte uns unterstützen, er ist ja Experte für Bühnenausstattung. Dann haben wir die Goldfolie bestellt, es wurde genäht – und er hat im Eiltempo in nur eineinhalb Tagen die Folie an der Decke und einigen Gerüststangen angebracht.“   Kein Wunder, dass es beim ersten Konzert viel „Ah“ und „Oh“ gegeben hat: Die etwa 70 Zuhörer waren überwiegend begeistert. Und nicht nur sie – auch die Künstler.

Vier Tage lang hatten sie, zwischen Leitern, Holzleisten und riesigen Stoffbahnen intensiv geprobt und waren zuletzt fast enthusiastisch. „Es hat einen Riesenspaß gemacht“, sagt Jonathan Aner, israelischer Pianist mit Professur in Berlin. Aner hat hier junge Streicher betreut und begleitet, darunter die in der Schweiz lebenden Cellistin Sayaka Studer. Das Duo präsentierte die 1. Cellosonate von Brahms als furioses Werk, zupackend und farbenreich. Ungewöhnlich geriet der Auftritt mit Jonathan Aner am Klavier, dem aus Nazareth stammenden erst 17 Jahre alten Yamen Saadi an der Geige und dem nur wenig älteren türkischen Cellisten Dogus Ergin. Nach Mendelssohns Trio in c-moll spielten sie eine sehr originelle Zugabe. Der Pianist: „ Wir haben ein Stück Wüste mit gebracht – wenn hier schon drei Musiker aus verschiedenen Ecken Europas und dem Nahen Osten gemeinsam musizieren!“ Gespielt wurden drei beduinische Tänze, arrangiert und bearbeitet für Klaviertrio.

Yamen Saadi sagt anschließend, dass er gerne wieder kommen würde an diesen ungewöhnlichen Ort. Noch führt er ein anstrengendes Leben zwischen Nazareth – wo er mit seiner Familie wohnt -, Tel Aviv – wo er am Konservatorium studiert – und Berlin. Dorthin fliegt er immer wieder zu Probenphasen des West Eastern Divan Orchestras, in dem er bereit im Alter von 11 Jahren mitgespielt hat. Bellevue-West-Eastern-25-5-2014-7 Musik verbindet.Dass Musik Grenzen überschreitet und Menschen sehr unterschiedlicher Kulturen zusammenbringt, hat diese Summer School – übrigens unter der Schirmherrschaft von Beethovenfest-Chefin Nike Wagner – aufs Schönste gezeigt. So entstehen auch neue Perspektiven.

Myriam Farid – Artist in Residence der Wasmuth Gesellschaft – und Or Re’em aus Israel zeigten sich mit Musik von Ravel, Schubert und Poulenc als kongeniales Duo am Flügel. „Wir wollen was draus machen“, sagt die aus Ägypten stammende Pianistin, „es hat einfach zu gut harmoniert!“ Ihr Klavierpartner ergänzt: „Damit hätte ich nicht gerechnet. Wir kannten uns ja nicht vorher und es hat so gut funktioniert!“ Ende Juni wird die Summer School mit weiteren jungen Musikern aus verschiedenen Ländern fortgesetzt. Torsten Schreiber, der sich ganz dem Geist des 1997 verstorbenen Johannes Wasmuth verpflichtet fühlt, ist zuversichtlich: „Wieder ein Fortschritt hier im Hotel Rheingold Bellevue! So muss es weitergehen. Es ist so, als sei der alte Ort jetzt aus dem Schlaf erweckt.“

Autorin: Cornelia Rabitz